Ra-Ra-Rasputin

8. August 2019

Sein Name beflügelt viele Phantasien – nicht nur unter Russen, Historikern oder den Disco-Queens der 80er. Der mystische, auf Fotos und Gemälden meist düster dreinblickende Bauern-Mönch Gigorij Rasputin (Betonung auf dem „u“) gilt seit über hundert Jahren als Scharlatan, genialer Psychologe, gerissener Manipulator. Und er steht im Ruf, mit besonderer Manneskraft gesegnet gewesen zu sein. Tatsächlich sei er aber nichts davon gewesen, so schwört Marina Smirnova, sein 2019 mutmaßlich größter Fan auf Erden: Sie hat in den letzten zehn Jahren auf eigene Kosten und dem Unmut des Staates zum Trotz ein bemerkenswertes Privatmuseum aufgebaut – mitten im sibirischen Dorf Pokrovskoe, in eben jenem Haus, das Rasputin dereinst mit seiner Familie bewohnt hat. Sogar Bobby Farrell, Tänzer und Playback-Interpret der Band Boney M. („Ra-Ra-Rasputin“), soll es schon besucht und im Vorgarten performt haben. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Was uns bei unserem Besuch in diesem Museum und an der Story rund um Rasputin interessiert hat, brachte Museumschefin Marina mit einem Satz in ihrer Führung auf den Punkt: „Rasputin war ein gutherziger, einfacher Mann, der die Gabe hatte, Dinge vorherzusehen. Und er war das erste Opfer wirklich schlechter PR“. Da könnte was dran sein, denn auch wenn es den Begriff der Public Relations damals noch gar nicht gab: Propaganda, Gerüchte und Shitstorms in den sozialen Medien jener Zeit (die Zirkel der Reichen und Schönen in der Hauptstadt Petersburg) gab es tatsächlich zuhauf – ebenso wie Zeitungen, die gerne mal polemisch berichteten und Hörensagen als Fakten verkauften (heute auch als Fake-News bezeichnet). Viele Beispiele dafür hat Marina in ihrem Museum zusammengetragen – und beruft sich bei ihrem Plädoyer für Rasputin auf Tagebücher, Briefe und andere Quellen von Zeitzeugen, die in den ätzenden Karikaturen und spöttischen Traktaten keine Rolle spielten.

 

Verständlich, dass ein ehemaliger Kleinkrimineller, der spät zum Glauben fand und später als Bettelmönch ausgerechnet am Zarenhof lebte, polarisierte. Und ob Alexander II. von den musisch gebildeten, reaktionären und vor allem am eigenen Wohlstand interessierten Aristokraten seines Umfelds besser beraten worden wäre als von seinem Beichtvater Rasputin – wer weiß. Spannend ist jedenfalls, wie sehr schon damals mit den Mitteln der öffentlichen Meinung gearbeitet wurde, um Positionierungen zu stärken oder zu schwächen. Und das in einer Monarchie, in der die öffentliche Meinung eigentlich kein Gewicht besaß – und in einer Zeit, in der man Hater und Shitstorms mangels Internet noch gar nicht kannte.

 

Wer sich heute fragt, wohin sich die PR in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird – auch das ist eine andere Geschichte. Aber wie heißt es so schön: Man muss wissen, woher man kommt, um zu verstehen, wer man ist und wohin man geht. Es hat zu jeder Zeit auf jeden Fall viel mit Verantwortung zu tun.