Medien nach Corona
5. Oktober 2020

3 Minuten
Wie Corona die Medienbranche verändert – und was das für die PR bedeutet
Die Telefone in den Redaktionen bleiben still, Hefte und Ausgaben werden dünner, es wird öfter nach Anzeigen gefragt, wenn wir ein redaktionelles Thema anbieten: Seit Beginn der Corona-Krise stellen wir als Agentur in unserer täglichen Arbeit fest, dass sich auch die Atmosphäre in den Verlagen verändert hat. Über PR Veröffentlichungen zu erzielen, wurde gefühlt schwieriger. Und wir fragen uns natürlich: Wird das so bleiben oder kommt auch das Verlagsgeschäft irgendwann in den Genuss der erwarteten Erholung? In den vergangenen Wochen haben wir mit Verlagen und Medienvertretern über ihre Krisenstrategien gesprochen und die derzeitige Stimmung eingefangen.
Print als Qualitätsmerkmal
Entgegen des allgemeinen Trends, nach dem die gedruckten Auflagen immer weiter abnehmen, setzen einige Verlage in der Krise besonders auf qualitativen Printjournalismus – so etwa der Verlag Passauer Neue Presse. Ernst Deubelli, Redakteur für regionale Wirtschaft im südöstlichen Oberbayern: „Öffentliche Termine sind fast auf null gesunken. Aber die Nachfrage nach Informationen bei Lesern, Gesprächs- und Recherchepartnern ist gestiegen. Ich reagiere darauf mit vermehrten Reportagen zu Unternehmen, Ideen, Produkten etc. etc. Auch die Corona-Thematik liefert immer wieder Stoff.“ Die Redaktion sei nicht in Kurzarbeit geschickt worden. Stattdessen seien die Arbeitskapazitäten, die durch den weitgehenden Wegfall von öffentlichen Terminen entstanden sind, mit intensiveren Recherchen, beispielsweise zu Trends, Menschen, Hintergründen oder historischen Serien, gefüllt worden, berichtet der Wirtschaftsredakteur. Mit Erfolg: Die Leser hätten durchweg positiv reagiert.
Auch im Special-Interest-Bereich gibt es Redaktionen, die in der Krise an den Printjournalismus glauben. Günter O. Reiter, stellvertretender Chefredakteur des Golf Magazins: „Durch Corona hat sich der Redaktionsalltag bei uns – wie in anderen Verlagen auch – natürlich spürbar verändert. Und zumindest mittelfristig sehe ich da kein ‚back to normal‘. Unsere Hefte sind allerdings nicht dünner geworden, weil unser Verleger in der Krise bewusst gegensteuern und damit ein Zeichen setzen will.“
Die Konradin Mediengruppe mit zahlreichen Fachpublikationen fährt eine doppelgleisige Strategie: Neben dem Versand der Print-Magazine ins Homeoffice erhalten Abonnenten die Ausgaben auch mit dem jeweiligen Themen-Newsletter als PDF – was die Reichweite der Publikationen positiv beeinflusst.
Hoffnungsträger Anzeigengeschäft
Das Anzeigengeschäft und damit die Haupteinnahmequelle vieler Medien hat unter der Corona-Krise massiv gelitten. Der Statista Advertising & Media Outlook prognostiziert für 2020, dass die Umsätze in der Printwerbung am stärksten zurückgehen (-17,3 Prozent), gefolgt von TV- und Videowerbung (-11,1, Prozent). Auch Audiowerbung (-9,1 Prozent) und Out-of-Home (-7,1 Prozent) erleiden Einbußen. Eine positive Entwicklung lässt sich lediglich bei den Ausgaben für Suchmaschinen- (+5,6 Prozent) und Social-Media-Werbung (+6,1 Prozent) feststellen. Vor allem Tageszeitungen verzeichnen große Verluste, da durch die Absage von Veranstaltungen ein wichtiger Anzeigenzweig wegfällt. „Keine Events, keine Kultur, keine Feste, keine großen Jubiläumsfeiern, die auf dem Land oft wichtige Ereignisse sind … ergo kaum mehr Anzeigen in diesem Bereich. Wir haben auch hier versucht, mit Sonderveröffentlichungen gegenzusteuern, zum Beispiel mit einer Beilage: ‚I love my Studium‘, mit Testimonials von Studierenden aus der Region zu Hochschulen aus der Region“, so Deubelli von der PNP.
Der Anzeigenrückgang bei den Zeitschriften fiel zu Beginn der Krise insgesamt etwas milder aus, wobei sich die Nachfrage der Anzeigenkunden je nach Segment sehr unterscheiden kann. Angelika Hörmann, Werbefachwirtin und Key Account Manager im Konradin-Verlag, berichtet, „dass es dieses Jahr deutlich mehr Onlinebuchungen gab. Bei den Printausgaben stellen wir im Anzeigengeschäft nur eine kleine Zurückhaltung fest – aber nicht bei allen Kunden. Viele belegen weiterhin die Ausgaben.“ Und auch Reiter bestätigt ein „seit Corona massiv gestiegenes Interesse der Kunden an bezahlten Promotions/Advertorials“.
Auswirkungen auf die PR
Die Corona-Krise hat viele Branchen getroffen – auch in der PR war ein zeitweiser Rückgang an Veröffentlichungen unvermeidbar, da die Berichterstattung in den ersten Monaten vorrangig von tagesaktuellen Themen im Zusammenhang mit dem Infektionsgeschehen bestimmt war. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie: Viele Menschen haben weniger Geld und fahren ihre persönlichen Ausgaben zurück, was sich auch negativ auf die Verkaufszahlen der Medien auswirken könnte. Deubelli: „Irgendwann wird auch am Abo bei Tageszeitung oder anderen Printmedien gespart, was nicht heißt, dass diese Medien weniger Nutzer haben. Schon seit den 90er Jahren sehe ich den Trend, dass mehrere Familien oder Nachbarn sich eine Zeitung teilen. Schön für die Nutzung, schlecht fürs Geschäft. Dieser Trend könnte sich noch durch die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen verstärken.“
Das bedeutet: Wenn die Medien auch oder gerade in Krisenzeiten viele Menschen erreichen, lässt sich mit PR weiterhin Wirkung erzielen. Hier kommt es vor allem auf relevante und informative Inhalte an, die dem Leser Orientierung bieten. Deubelli sieht in der Corona-Pandemie eine Chance für Printmedien, wenn sie sich durch profunde Recherche und seriöse Berichterstattung profilieren und behaupten. Neben hochwertigem Content mit fachlicher Expertise könnte allerdings auch die begleitende Mediaplanung mittel- oder langfristig zusätzlich an Bedeutung gewinnen.