Ich nehm´s persönlich
Es ist ein schleichender Prozess – doch die Krise publizistischer Einheiten ist nicht wegzudiskutieren. Verkaufszahlen von Tageszeitungen sinken seit ihren Hochzeiten Anfang der 90er-Jahre kontinuierlich. Auch die Reichweite, also die Anzahl der Zielpersonen, die eine Zeitung erreicht, befindet sich auf einem Tiefpunkt: Nur gut zwei Drittel der Bevölkerung nehmen Tageszeitungen heute noch als Informationsträger wahr – 1995 waren es noch über 80 Prozent. Bei Zeitschriften oder anderen Druckerzeugnissen verläuft dieser Trend ähnlich. Die Gründe dafür sind vielfältig und sowohl gesellschaftlich als auch medial bedingt. So sind es unter anderem die Aufstiege von Fernsehen und Internet, die große Teile des Marktanteils für sich beanspruchen. Was heißt das? Sind die Tage der Printmedien gezählt? Oder gibt es eine Lösung, die Druckerzeugnisse wieder relevant macht?Es ist vor allem eine Bewegung, die sich hier herauskristallisiert: Personality-Magazine. Dabei handelt es sich um Zeitschriften, für die ein Prominenter als Pate fungiert und in fast allen Fällen auch mit seinem Namen steht. Dem Flaggschiff „BARBARA“ von Moderatorin Barbara Schöneberger folgten in den letzten Jahren viele weitere Nachahmer, etwa „Joko Winterscheidts Druckerzeugnis“ oder „BOA“, das Magazin des (mittlerweile Ex-) Nationalspielers Jerôme Boateng. Die Frontrunner sind dabei immer eine bereits etablierte Marke, von der das Magazin profitieren soll: Winterscheidt, Schöneberger und Co. generierten durch frühere Projekten zahlreiche Fans und stehen bei ihnen für Glaubwürdigkeit und hohe Sympathiewerte – Stärken parasozialer Beziehungen, die innerhalb der Verlagshäuser gern gesehen sind. Auch, da sie die Möglichkeit bieten, die Etablierungsphase eines Magazins drastisch zu verkürzen. Die derart enge Verbindung mit einer öffentlichen Persönlichkeit ist allerdings nicht ohne Risiko. Denn auch wenn polarisierende Charaktere getreu dem Leitsatz „there is no bad press“ oft hohe Verkaufszahlen nach sich ziehen, kann ein größerer Fehltritt oder Skandal gleichzeitig auch das Aus der Publikation bedeuten.
Für alle bestehenden Personality-Magazine heißt das Zauberwort dabei: Nische. Es geht nicht mehr darum, mit riesigen Auflagen in möglichst vielen Bereichen der Gesellschaft Anklang zu finden. Viel mehr behandeln fast alle dieser Magazine Spartenthemen, klar ausgerichtet auf bestimmte Zielgruppen und Märkte. So soll „BARBARA“ eben keine typische, geschönte Frauenzeitschrift sein, sondern Themen realer und schnörkelloser ansprechen. Oder „BOA“ nicht eines von vielen Fußballmagazinen darstellen, sondern durch die Brille eines Profisportlers mit Migrationshintergrund Kontroversen rund um den Clash der Kulturen beleuchten.
In einer immer personalisierteren Gesellschaft sollen also prominente Galionsfiguren das sinkende Schiff namens Print wieder in ruhigere Gewässer leiten. Vorläufige Zahlen sprechen dabei eine ambivalente Sprache: Während Dr. Eckart von Hirschhausens Zeitschrift „Gesund leben“ sogar nachgedruckt werden musste, wurde Jokos „JWD“ bei einer Auflage von 200.000 nur gut 70.000-mal verkauft. Es bleibt wohl abzuwarten, ob Prominente und Influencer tatsächlich in der Lage sind, eine Renaissance der Printmedien einzuleiten.
Autor: Leonard Stenger