GatekeePR
Der Gatekeeper, der Türsteher, beschreibt in der Nachrichtenforschung den ausschlaggebenden Einflussfaktor bei der Auswahl und Aufbereitung von Nachrichteninhalten für die Rezipienten. Er entscheidet also darüber, welche Informationen in welcher Form an die breite Masse gelangen. Ursprünglich wurde dieser Ansatz am Verhältnis von Nachrichtenagentur und Journalist durchdekliniert. Tatsächlich lässt er sich aber auf verschiedenste Bereiche der Medienlandschaft anwenden. So auch auf PR- und Kommunikationsagenturen. Denn diese sind zuerst Gatekeeper in eigener Sache: Sie werden dazu beauftragt ein Außenbild einer Marke zu erschaffen und nach außen zu tragen. Allen Korrekturschleifen zum Trotz ist die Agentur in diesem Prozess für den kreativen Output verantwortlich und entscheidet somit – wie ein Gatekeeper – welche Inhalte die Journalisten erreichen.Die Verbreitung der PR-Meldungen erfolgt zumeist über Journalisten. Nach dem individualistischen Ansatz von David White selektieren diese klassischen Gatekeeper die Inhalte nach ihren eigenen Kriterien. Zudem bereiten sie die zugeschickten Nachrichten oder Inhalte auf, stellen Hintergrundrecherchen an und besitzen die Freiheit, die Inhalte nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Um die Message des Kunden durch diesen Prozess hindurch so vollständig wie möglich an den Leser zu bringen, müssen PR-Spezialisten verschiedene Faktoren beachten, wie die Aktualität der Nachricht oder auch den Redaktionsschluss. Vor allem aber sollten sie die persönlichen Vorlieben und Auffassungen der Journalisten kennenlernen und nur die Redaktionen bespielen, die Meldungen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgreifen.
Allerdings wird der Journalist in seiner Funktion als Gatekeeper häufig eingeschränkt. Die Eingebundenheit in redaktionelle Pflichten und der daraus resultierende Zeit- und Zeilendruck lassen oft keinen Raum für kreative Veränderungen der angebotenen Inhalte. Dadurch sind viele Redaktionen in Teilen abhängig von der Zuarbeit der Agenturen, die das jeweilige Medium durch ihre Einsendungen mit qualitativ hochwertigen Inhalten füllen. Dieser Fall resultiert dann in einer Win-Win-Situation für beide Parteien, denn: Haben die Journalisten keine Kapazitäten für inhaltliche Änderungen, sieht der „Informationslieferant“ Kommunikationsagentur die Meldung in der eigenen Formulierung veröffentlicht.
Zudem kann die Auswahlhürde „Journalist“ mittlerweile ganz übersprungen werden. Mit dem Aufkommen der sozialen Medien werden die türstehenden Redaktionen zunehmend obsolet. Twitter, Facebook und Co. geben Agenturen neue Mittel und Wege, ihre Kunden ungefiltert und effektiv zu präsentieren. Denn obwohl der Journalist als Gatekeeper und Mittelsmann wegfällt, die durch die Zeitung gewährleistete Reichweite tut dies nicht: Vor allem bei jüngeren Zielgruppen bieten die sozialen Medien auch hier ein enormes Potenzial.
Autor: Leonard Stenger